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Der unerfüllte Generationenvertrag

Unsere Sozialsysteme beruhen auf dem Umlageverfahren: Die aktuell Erwerbstätigen finanzieren die gegenwärtigen Leistungsempfänger.

Fehlende Leistungsträger

Die Sozialsysteme fußen letztlich auf der stillschweigenden Verpflichtung, dass jede in Deutschland lebende Person mindestens einen Nachkommen heranzieht, der im Erwachsenenalter ein hinreichendes Einkommen erzielt, um sich und seine Familie zu versorgen und die notwendigen Sozialbeiträge in die Umlagesysteme einzuzahlen.

Seit den 1970er-Jahren wird dieser Generationenvertrag jedoch nicht mehr erfüllt: Paare bringen derzeit im Schnitt nur 1,35 Kinder zur Welt – deutlich weniger als die rechnerisch erforderlichen 2,0 bis 2,1 Kinder, um Bevölkerung und Sozialsystem auf stabilem Kurs zu halten.

Leistungsschwächere Leistungsträger

Hinzu kommt, dass unter den 20- bis 34-Jährigen fast 20 Prozent keinen Berufsabschluss erreichen. Es werden also nicht nur zu wenige Kinder geboren, sondern viele auch unzureichend ausgebildet. Trotz des Fachkräftemangels führt dies zu Arbeitslosigkeit und insbesondere zu steigender Jugendarbeitslosigkeit, die in den letzten zwei Jahren um etwa 40 Prozent zugenommen hat.

Doch der Blick auf die junge Generation alleine greift zu kurz: Wenn der BDI 2024 von einer Erosion der Innovationsfähigkeit spricht, betrifft das vor allem mittlere und ältere Altersgruppen. Politische und gesellschaftliche Defizite, die zu den Mängeln in Bildung und Erziehung führten, sind diesen Jahrgängen und nicht der Generation Z selber zuzuschreiben. Auch die maroden Infrastrukturen stellen eine Nichterfüllung des Generationenvertrags älterer Generationen dar.

Der Philosoph Rüdiger Safranski äußert sich im Interview der Welt am Sonntag (19. April 2025) besonders deutlich:

Allerdings ist unklar, ob Herr Safranski seinen Blick auf die Jahre nach der Wiedervereinigung verengt oder in der Friedensdividende auch die vorausgegangenen Friedensjahre sieht. Die durch Frieden bedingt hohe Lebenserwartung und Wohlstandsversorgung sind im weitesten Sinne nämlich ebenfalls eine Friedensdividende.

Einzahlungen und fehlende Beitragszahlungen

Gemeinhin begründen die Rentnergenerationen ihren frühen Renteneintritt und die Rentenhöhe mit den langwierigen Einzahlungen. Tatsächlich zahlen Leistungsträger keine Beiträge in kapitalbildende Verträge mit garantierten und einklagbaren Leistungen, sondern erbringen lediglich Einzahlungen in Umlagesysteme. Wenn Umlagesysteme funktionieren, dann ist das Ergebnis mit den kapitalbildenden Verträgen vergleichbar. Weil dem aber so nicht ist, ist das Argument nicht tragfähig; zumal die geburtenstarken Jahrgänge in das – damals durch Kriege, Hunger und Krankheit entlastete – Umlagesystem rechnerisch weniger einzahlten als Beitragszahler in die private Altersvorsorge.

Selbst bei vollständiger Erfüllung der Generationenverträge ließen sich die heutigen Rentenansprüche nicht rechtfertigen:

Die Renten sind rechnerisch zu hoch:

Im Durchschnitt arbeiten die Deutschen fast 40 Jahre. In dem Zeitraum zahlen sie etwas weniger als 20 Prozent oder 1/5 ihrer Einkünfte in die Rentenkasse ein. Im Durchschnitt zahlen die Deutschen so jeweils ca. 8 Jahreseinkommen ein.

Die durchschnittliche Lebenserwartung liegt bei 81Jahren. Wenn man das durchschnittliche Renteneintrittsalter von 64,4 Jahren berücksichtigt, dann liegt die Rentenbezugsdauer im Schnitt bei 16,6 Jahren. In dem Zeitraum bekommen die Deutschen allerdings auch etwas weniger als die Hälfte des Durchschnittseinkommens. Sie bekommen im Mittel 8,3 Jahreseinkommen ausgezahlt.

Darüber hinaus leistet die Rentenkassen aber nicht nur Altersrenten, sondern auch Erwerbsminderungsrenten und Rehabilitationsleistungen. Wer seine Arbeitskraft privat versichert, weiß, dass die Beiträge dreistellig ausfallen, wenn monatlich ein vierstelliger Vertrag zur Auszahlung kommen soll.

Wenn Union und SPD das aktuelle Rentenniveau von 48 Prozent bis 2031 gesetzlich festschreiben wollen, dann hat das weder etwas mit Generationengerechtigkeit, noch mit sozialer Gerechtigkeit zu tun; zumal sie mit dem sogenannten Sondervermögen Infrastruktur Leistungsdefizite der älteren Generationen auf die jüngeren zusätzlich abwälzen wollen.

Das System ist am Ende

Analog zu Safranski lässt sich festhalten, dass die geburtenstarken Generationen auf kollektiver Ebene statt Vermögen vor allem Schulden angehäuft haben. Sie haben kollektiv weder nachhaltig in nachfolgende Generationen investiert, noch in deren Wettbewerbsfähigkeit, noch in die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen oder in Rückstellungen.

Das Ergebnis: Ein leergefuttertes Buffet, für das die Jüngeren nachzahlen sollen – etwa durch höhere Sozial- und Steuerabgaben (Vermögens-, Kapitalertrags- und Grundsteuer) sowie durch steigende Bürokratie- und Umweltabgaben (CO₂-Steuer, Bau- und Kfz-Kosten, Flugsteuer). Dieses Modell funktioniert heute nicht und wird in Zukunft noch weniger tragfähig sein.

Die geburtenstarken Jahrgänge haben zur eigenen Vorteilsmaximierung den Sozialstaat sukzessive in einen sozialistischen Staat umgewandelt.

Der ursprüngliche Sozialstaat beruhte auf Eigenverantwortung, staatlicher Subsidiarität sowie ausreichender individueller und wirtschaftlicher Freiheit.

Sozialismus hingegen basiert auf der Vorstellung einer fiktiven Omnipotenz des Staates, dem Eigenverantwortung und individuelle Freiheit untergeordnet sind.

Sozialismus hat bislang nie funktioniert – und es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass er jemals funktionieren wird. Es ist nicht erkennbar, dass die große Masse an Menschen dauerhaft bereit wäre, freiwillig und uneigennützig einen überwiegenden Anteil ihrer Lebenszeit für einen angeblichen guten Staat zur Verfügung zu stellen.

Tatsächlich müssen sich Arbeit und Bildung wieder lohnen.

Es ist schon seit Längerem zu beobachten, dass Leistungsfähigkeit und Leistungswille abnehmen – und das betrifft nicht nur die Generation Z. Seit den 1990er-Jahren steigt die Staatsquote massiv an. Die Bruttolöhne steigen, die Reallöhne sinken. Mit anderen Worten, die arbeitende Bevölkerung arbeitet zunehmend überwiegend für den Staat, seine Umlagesystem bzw. für die Folgen staatlicher Fehlentscheidungen ( z.B. Migrations- oder Geldpolitik mit ihren massiven Verwerfungen in der Wohnungswirtschaft ). Die wirtschaftliche Freiheit hat sich für einen Großteil der Bürger geschmälert, während seit dem parallel dazu die staatlichen Restriktionen massiv zunehmen. Früher realisierbare Wohlstandsziele wie Eigenheim, Familie, Auto oder Reisen sind für viele sukzessive unerreichbar geworden. Das schwächt Anreiz, Ehrgeiz und Motivation für Bildung, Vermögensaufbau und Beschäftigung. Die Folgen sind Arbeitslosigkeit trotz Fachkräftemangel, Teilzeitarbeit, hohe Abbrecherquoten, Wettbewerbsverluste, frühe Renteneintritte und hohe Krankenstände.

Rentner werden arbeiten müssen – Arbeiten muss sich lohnen

Die Zahl der erwerbstätigen Rentner wächst ohnehin kontinuierlich. Die Bundesregierung hat vereinbart, dass Rentnerinnen und Rentner, die über das gesetzliche Rentenalter hinaus arbeiten, ihr Einkommen bis zu 2.000 € monatlich steuerfrei hinzuverdienen dürfen. Dadurch sollen Kranken- und Pflegekassen sowie die Wirtschaft vom Fachkräftemangel entlastet werden. Langfristig wird es jedoch darauf hinauslaufen, dass das Rentenniveau deutlich sinkt und viele Ruheständler auf eine zusätzliche Erwerbstätigkeit angewiesen sein werden, um ihren Lebensstandard zu sichern.

Umlagesysteme sind Auslaufmodelle

Die Umlagesysteme wurden eingeführt, weil sie sofort funktionsfähig waren; kapitalbildende Systeme hingegen benötigen eine lange Vorlaufzeit.

Geringe Lebenserwartung, relativ hoher Kinderreichtum sowie regelmäßige aktive Kriegsdienste und die Belastungen durch Kriegseffekte hielten das Umlageverfahren historisch in Balance. Als diese „begünstigenden“ Faktoren wegfielen – wie Safranski richtig resümiert – wurde die daraus resultierende Friedensdividende nicht angelegt, sondern verfrühstückt.

Die älteren Generationen müssen – sofern sie die Friedensdividende nicht selbst investiert haben – mit Einschnitten rechnen. Umgekehrt benötigen die jüngeren Generationen wirtschaftlichen Spielraum, um ihre Friedensdividende für die eigene Altersvorsorge gewinnbringend anzulegen. Deshalb müssen die Sozialabgaben erheblich gesenkt werden.

Transparenz und Aufsicht

Das Umlageverfahren ist intransparent. Die Rentenauskunft basiert auf der jeweils geltenden Gesetzeslage – ändert sich diese, wird auch die Auskunft hinfällig. Wie bereits erläutert, lässt sich die Gesetzeslage so nicht dauerhaft aufrechterhalten. Darüber hinaus ist die Effizienz der Sozialsysteme komplett intransparent. Ein in Wirtschaftsbetrieben übliches Controlling fehlt.

Das gleiche gilt im übrigen erst recht für die Pensionen. Gerne wird behauptet, die Beamten würden für einen Gehaltsverzicht höhere Versorgungsbezüge erhalten. Diese Behauptung entpuppt sich in Fällen, die vergleichbar sind als falsch. Angestellte Lehrer bekommen zum Beispiel trotz schlechterer Versorgungsleistungen ein geringeres Nettogehalt als die verbeamteten Lehrer. Weil die Kosten der Versorgungsleistungen für Beamte nirgends ausgewiesen sind, ist ein seriöser Vergleich regelmäßig nicht möglich. Die geringe Effizienz des öffentlichen Sektors und die starke parteipolitische Abhängigkeit der Karrieren machen eine grundlegende Reform des öffentlichen Sektors erforderlich.

Ein „starker Staat“, der omnipräsent ist, hat sich historisch nie bewährt. Mit ihm gehen Intransparenz ( siehe oben ), Korruption ( z.B. Corona-Krise ), Staatsbankrott ( Kaiserreich, DDR, UDSSR ) und häufig Krieg ( Kaiserreich, Drittes Reich ) einher.

Der Staat muss Frieden und Wohlstand sichern, darf aber nicht selbst den Wohlstand verwalten oder gar verteilen. Er hat die Aufgabe, die rechtlichen Grundlagen für die privaten Absicherungen zu schaffen und die institutionelle sowie gerichtliche Aufsicht zu garantieren.

Damit diese Aufsicht funktioniert und nicht der Korruption zum Opfer fällt, muss der parteipolitische Einfluss massiv zurückgedrängt werden. Unter dem Sozialismus haben die Parteien überproportionalen Einfluss in Behörden, Gerichten, Institutionen und Aufsichtsräten gewonnen. Eine strikte, strafbewehrte Gewaltenteilung ist daher unerlässlich. Parteien dürfen nicht als unsichtbare Strippenzieher, als eine Art „Deep State“, agieren.

Ein funktionierendes System beruht stets auf drei unabhängigen, sich selbst organisierenden Kammern:

  • Exekutive (geschäftsführender Vorstand)
  • Legislative (Mitglieder bzw. Gesellschafter)
  • Judikative (Schieds- und Gerichtswesen, Aufsichtsrat)

Dies muss sowohl für die Staatsorganisation als auch für alle Sozialinstitutionen gelten.

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Ein Kommentar

  1. Gut beschrieben und zeitlich analysiert!
    Als Jahrgang 1943 kann ich die Sachverhalte nur bestätigen.
    Und um die Menschen etwas wach zu rütteln, schreibe ich seit einigen Jahren „Offene Briefe“ zu verschiedenen Themen, zu finden unter
    https://wopekle.de
    Herzliche Grüße aus Kleve
    Wolfgang Peter

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