Prozessgerichtigkeit von ChatGPT / Rechtsanwalt Reinhard Wilhelm aus Arnsberg / Dortmund
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Verstoß gegen das standesrechtliche Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen im Zivilprozess

I. Bedeutung des standesrechtlichen Verbots

Das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen gehört grundsätzlich zum Selbstverständnis des Anwaltsberufs. In der Praxis hat es jedoch vor allem in großen Kanzleien und Notariatskanzleien eine besondere Relevanz.

Dieses Verbot erstreckt sich nicht nur auf einzelne Rechtsanwälte, sondern auf die gesamte Anwaltskanzlei und betrifft sämtliche dort tätigen Anwälte und Notare.

In großen Kanzleien kann es durch personelle Fluktuation oder Todesfälle vorkommen, dass frühere Mandatierungen nicht mehr bekannt sind – insbesondere dann, wenn es sich nur um Beratungsleistungen gehandelt hat.

Notariate werden in Kanzleien häufig organisatorisch eigenständig geführt. Wenn ein Notariat eine Gesellschaft regelmäßig betreut, stellt sich jedoch die standes- und zivilrechtliche Frage, ob Anwälte derselben Kanzlei die Gegenseite dieser Gesellschaft vertreten dürfen.

II. Konsequenzen bei Verstoß im Gerichtsverfahren

Falls eine Vertretung widerstreitender Interessen während eines Gerichtsverfahrens auffällt, stellt sich die Frage nach den rechtlichen Konsequenzen.

  1. Falsche Einschätzung durch ChatGPT

    ChatGPT hat hierzu standesrechtlich korrekt, aber prozessual unzutreffend geäußert: „Der geeignete Antrag vor Gericht wäre ein Antrag auf Ausschluss der Kanzlei wegen Interessenkonflikts oder ein Antrag auf Befangenheitsprüfung nach § 43a Abs. 4 BRAO (Berufsordnung für Rechtsanwälte) sowie ein Antrag auf Parteiausschluss der Kanzlei wegen Verstoßes gegen die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht.
    Falls die Kanzlei weiterhin die Gegenseite vertritt, kann zusätzlich ein Antrag auf Untersagung der Vertretung oder ein Antrag auf Widerruf der Bestellung als Prozessbevollmächtigter gestellt werden.“
    Auf die Nachfrage nach der zuständigen Stelle hat ChatGPT weiter ausgeführt: „Gerichtliche Zuständigkeit:
    • Wenn bereits ein Gerichtsverfahren läuft:
    → Der Antrag wird beim Prozessgericht eingereicht, das über den Rechtsstreit entscheidet (z. B. Amtsgericht, Landgericht, Oberlandesgericht, Verwaltungsgericht etc.).“


  2. Abgrenzung zwischen Standesrecht und Prozessrecht

    Diese Einschätzung ist jedoch nicht korrekt: Das Standesrecht ist kein Prozessrecht. Es bindet Rechtsanwälte, nicht jedoch die Gerichte für Zivilsachen.

  3. Praktischer Umgang mit Interessenkonflikten

    In der Praxis genügt es in der Regel, das standesrechtliche Problem schriftlich anzusprechen. Der gegnerische Anwalt wird in den meisten Fällen von sich aus das Mandat niederlegen, um den Verdacht eines Interessenkonflikts zu vermeiden.

    Wird ein solcher Konflikt erst in der mündlichen Verhandlung erkennbar, verzichten die Parteien in der Regel auf förmliche Anträge und beantragen stattdessen einvernehmlich die Vertagung des Termins.

  4. Möglichkeiten im Falle einer Eskalation

    Sollte es dennoch zu einer Eskalation kommen, können die Betroffenen:
    • Beschwerde bei der Rechtsanwaltskammer einreichen, die den Vorfall prüft und gegebenenfalls anwaltsgerichtliche Maßnahmen einleitet,
    • die Rückforderung von Anwaltsgebühren verlangen,
    • Schadensersatzansprüche geltend machen, sofern ein nachweisbarer Schaden entstanden ist.

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