Eine rechtswidrige Abrissverfügung – eine Fallbesprechung

I. Vorwort

1. Situation des Käufers

Die Entscheidung, ein Gebäudegrundstück zu kaufen, das mit einer öffentlich-rechtlichen Abrissverfügung belastet ist, ist immer riskant – insbesondere, wenn es sich um ein Fachwerkhaus handelt. Es gibt allerdings Bürger, die sich auf die Sanierung solcher Häuser spezialisiert haben. Sie stellen die Häuser in Eigenleistung wieder her. Ein Abriss ist in der Regel unerwünscht, weil die Errichtung eines Neubaus nicht ihrem Geschäftsmodell entsprechen. Die Abrissverfügung muss deshalb gerichtlich angefochten werden.

2. Situation der Kommune

Die Kommune hat ein Interesse daran, dass die städtische Tochtergesellschaft das Grundstück – möglichst preisgünstig – erwirbt. Die Nachbargrundstücke hat diese schon erworben. Die Kommune leitete sowohl die persönlichen Daten des Käufers als auch Informationen zu der Abrissverfügung weiter. Es gibt also einen offensichtlichen Interessenskonflikt.

3. Vorverhalten der Kommune

Die Kommune versiegelte das Objekt und gestattete dem Käufer das Betreten des Gebäudes lediglich in ihrer Begleitung.

II. Abrissanordnung

1. Der Wortlaut der Anordnung:

2. Rechtliche Tragweite

Diese Abrissanordnung ist für einen Eigentümer die schlimmste Variante. Er hat zum einen keine Möglichkeit zum Widerspruch und muss daher Klage erheben, um sie anzufechten.

Er muss zum anderen eine einstweilige Anordnung erwirken, die die sofortige Vollziehung außer Kraft setzt, ansonsten ist das Gebäude weg, bevor die Klage entschieden ist. Nach § 80 VwGO hat die Anordnung der sofortigen Vollziehung nämlich zur Folge, dass die Abrissanordnung trotz Klageerhebung umgesetzt werden muss.

III. Sachverhalt

Eine Abrissverfügung – mag sie rechtmäßig oder rechtswidrig sein – ergeht niemals ohne Benennung des Sachverhalts:

Die Abrissverfügung stützt sich also auf die Unbewohnbarkeit und auf erhebliche Zweifel an der Standsicherheit nach Inaugenscheinnahme der äußeren Gebäudehülle.

IV. Begründung

1. Einleitung

Für den Eigentümer gibt es keine härtere Maßnahme als den Abriss. Mit dem Abriss werden Sachwerte vollständig und endgültig vernichtet und beseitigt. Zudem entstehen erhebliche Abrisskosten.

Das Grundgesetz gewährt in Art. 14 GG eine substanzielle Eigentumsgarantie. Der Gebrauch des Eigentums soll zwar auch der Allgemeinheit dienen, doch ein Abriss lässt sich kaum als Gebrauch verstehen.

Die Kommune muss also eine gewichtige Begründung auffahren.

2. Begründung der Kommune

3. Rechtliche Würdigung

a. Die Auseinandersetzung der Kommune mit den Rechtsgrundlagen

Die Kommune hat sich offensichtlich nicht ausreichend mit den einschlägigen Rechtsgrundlagen auseinandergesetzt.

Die Bestandsgarantie aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG verlangt, dass vorrangig Maßnahmen ergriffen werden, die eine unverhältnismäßige reale Belastung des Eigentümers vermeiden und die Privatnützigkeit des Eigentums so weit wie möglich bewahren. (BVerfG, Beschluss vom 2. März 1999, 1 BvL 7/91). Eine Abrissverfügung kann daher nur rechtmäßig sein, wenn:

  • der Eigentümer sein Nutzungsinteresse an der Grundstücksbebauung erkennbar aufgegeben hat,
  • die Nichtnutzung dem öffentlichen Interesse an Sicherheit und Ordnung erkennbar widerspricht, und
  • kein milderes Mittel zur Wahrung des öffentlichen Interesses ersichtlich ist.

Der Landesgesetzgeber hat eine entsprechende und abschließende Regelung in § 82 Abs. 2 BauO.NRW getroffen:

(2) Soweit bauliche Anlagen nicht genutzt werden und im Verfall begriffen sind, kann die Bauaufsichtsbehörde die Grundstückseigentümerin oder den Grundstückeigentümer und Erbbauberechtigte verpflichten, die Anlage zu beseitigen. Die Bestimmungen des Denkmalschutzgesetzes bleiben unberührt.

Tatsächlich plant der Käufer jedoch eine Nutzung, nämlich die Sanierung des Gebäudes, die die Kommune bislang durch die Versiegelung des Gebäudes verhindert hat. Der Käufer hat folglich sein Nutzungsinteresse am Gebäude nicht aufgegeben, weshalb die Abrissverfügung rechtswidrig ist.

Zwingende Voraussetzung ist demnach, dass die bauliche Anlage nicht genutzt wird. Tatsächlich plant der Käufer jedoch eine Nutzung, nämlich die Sanierung des Gebäudes, die die Kommune bislang durch die Versiegelung des Gebäudes verhindert hat. Der Käufer hat folglich sein Nutzungsinteresse am Gebäude nicht aufgegeben, weshalb die Abrissverfügung rechtswidrig ist.

Die Kommune hat zutreffend erkannt, dass sie bei der Abrissverfügung ein Ermessen ausüben muss. Sie kommt jedoch im Rahmen ihrer Ermessensausübung zu dem Ergebnis, dass kein milderes Mittel als der Abriss zur Verfügung stünde. Diese Entscheidung ist jedoch nicht hinreichend begründet. Die Sachverhaltsdarstellung bezieht sich fast ausschließlich auf die angebliche Gebrauchsuntauglichkeit des Gebäudes. Mit den Sanierungsmöglichkeiten setzt sich die Kommune nicht auseinander.

Vor dem Hintergrund, dass das Eigentumsrecht ein Freiheitsrecht ist, ist es irrelevant, ob die Sanierung wirtschaftlich sinnvoll ist. Entscheidend ist allein, ob die Sanierung tatsächlich unmöglich geworden ist und ob ein Nutzungsinteresse glaubhaft gemacht werden kann.

b. Vorrang des Aussetzungsinteresses des Eigentümers

Bei bauaufsichtlichen Verfügungen, die den Verlust von Bausubstanz zur Folge haben, gilt der Grundsatz, dass das Aussetzungsinteresse des Eigentümers regelmäßig das Vollzugsinteresse der Kommune überwiegt. ( OVG Lüneburg, Beschl. v. 13.12.2023, Az.: 1 ME 121/23 ).

Der Vollzug der Abrissverfügung vor Abschluss des Klageverfahrens würde die Hauptsache vorwegnehmen und dem Eigentümer die Möglichkeit nehmen, sein Eigentumsrecht effektiv im Hauptsacheverfahren prüfen zu lassen.

c. Prozessuale Besonderheiten

Es ist eine prozessuale Besonderheit zu berücksichtigen: Neben dem Eigentümer ist der Käufer als Vormerkungsberechtigter im Grundbuch eingetragen. Während der Eigentümer Empfänger der Abrissverfügung ist, ist der Käufer derjenige mit dem primären Nutzungsinteresse.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind beide – Eigentümer und Käufer – klagebefugt, sofern der Käufer zugleich Besitzer des Grundstücks ist.

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