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Diskriminierungen im Fokus: Altersdiskriminierung und ihre arbeitsrechtlichen Folgen

Diskriminierungen sind derzeit ein viel diskutiertes Thema, sowohl politisch als auch gesellschaftlich. Während Rassismus häufig emotional und politisch stark aufgeladen debattiert wird, vermuten viele Bürger die größten Stolpersteine im Arbeitsrecht im Bereich der Geschlechterdiskriminierung. Tatsächlich dürfte jedoch die Altersdiskriminierung eine weitaus größere – und steigende – Bedeutung haben, insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Erwerbstätigkeit im Rentenalter zunimmt.

I. Teure Fehler im Arbeits- und Gesellschaftsrecht

1. Begrenzung der Entschädigung auf drei Gehälter ?

Entgegen einem weit verbreiteten Irrtum ist die Entschädigung bei Altersdiskriminierung gemäß § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG nicht grundsätzlich auf drei Gehälter begrenzt. Diese Begrenzung gilt nur bei Nichteinstellungen – und auch nur dann, wenn nachgewiesen werden kann, dass der Bewerber bei einer diskriminierungsfreien Auswahl ohnehin nicht eingestellt worden wäre.
Bei einer diskriminierenden Kündigung oder Diskriminierung am Arbeitsplatz findet diese Begrenzung ohnehin keine Anwendung.

2. Bemessung der Entschädigung

Die Höhe der Entschädigung bestimmt sich nach dem Grad des – nicht erforderlichen – Verschuldens, der Schwere und Art der Diskriminierung, ihrer Dauer und Folgen, Anlass und Beweggründen für das Handeln des Arbeitgebers (vgl. BAG, Urteil v. 23.08.2012 – 88 AZR 285/11, NZA 2013, 37, Rn. 34, beckonline MüKoBGB/Thüsing, 9. Aufl. 2021, AGG § 15 Rn. 12, beckonline), die Zahl der verbotswidrig herangezogenen Diskriminierungsmerkmale und die Zahl der Diskriminierungsfälle (vgl. Riesenhuber in: Erman BGB, Kommentar, 17. Auflage 2023, § 15 AGG, Rn. 18). Ferner ist auch der Sanktionszweck der Norm zu berücksichtigen, sodass die Höhe auch danach zu bemessen ist, was zur Erzielung einer abschreckenden Wirkung erforderlich ist. Dabei ist zu beachten, dass die Entschädigung geeignet sein muss, eine wirklich abschreckende Wirkung gegenüber dem Arbeitgeber zu haben und dass sie in einem angemessenen Verhältnis zum erlittenen Schaden stehen muss BAG, Urteil v. 23.08.2012 – 88 AZR 285/11, NZA 2013, 37, Rn. 34, beckonline).“ ( OLG Köln, Urteil vom 21.03.2024 – 18 U 31/23 ).

Die Höhe der Entschädigung richtet sich demnach nach einer Vielzahl von Kriterien:

  • Grad des Verschuldens
  • Schwere, Art, Dauer und Folgen der Diskriminierung
  • Beweggründe des Arbeitgebers
  • Sanktionszweck, der eine abschreckende Wirkung erzielen soll

Hierbei muss die Entschädigung so bemessen sein, dass sie die Diskriminierung effektiv sanktioniert und in einem angemessenen Verhältnis zum erlittenen Schaden steht.

Auch Mobbing, das auf Altersdiskriminierung beruht, kann hohe Schmerzensgeldansprüche nach sich ziehen, die in Deutschland für diese Fälle vergleichsweise hoch ausfallen.

II. Alter darf kein Motiv, auch keine untergeordnetes sein

Die Rechtsprechung zeigt sich streng: Schon die untergeordnete Berücksichtigung des Alters kann Rechtsfolgen nach AGG auslösen. Arbeitgeber müssen beweisen, dass das Alter keinerlei Rolle bei einer Entscheidung gespielt hat.

Damit muss sie Tatsachen vortragen und gegebenenfalls beweisen, aus denen sich ergibt, dass es ausschließlich andere Gründe waren als das Alter, die zu der weniger günstigen Behandlung des Klägers geführt haben und in ihrem Motivbündel dessen Alter keine Rolle gespielt hat (vgl. BAG, Urteil v. 23.08.2012 – 88 AZR 285/11, NZA 2013, 37, Rn. 34, beckonline).“ ( OLG Köln, Urteil vom 21.03.2024 – 18 U 31/23 ).

Ein Beispiel: Wird ein Betrieb umstrukturiert, um die Belegschaft zu „verjüngen“, ist das ein klarer Fall von Altersdiskriminierung. Kündigungen aus solchen Gründen sind gemäß §§ 134 BGB, 7 und 1 AGG anfechtbar und begründen Schadensersatzansprüche nach § 15 AGG. Selbst wenn im Einzelfall die Altersdiskriminierung widerlegt werden kann, kommt die strenge Rechtsprechung zur Austauschkündigung zum Zuge.

III. Strenge Maßstäbe der Gerichte gegenüber Arbeitgebern und Gesellschaftern

1. Das LAG Hamm ( Urteil vom 30.01.2014 – 8 Sa 942/13 ) entschied, dass eine betriebliche Regelung, die bei der wöchentlichen Arbeitszeit an das Alter anknüpft, diskriminierend ist.

2. Das OLG Köln ( Urteil vom 21.03.2024 – 18 U 31/23 ) entschied, dass die Kündigung eines Geschäftsführervertrags diskriminierend ist, wenn beabsichtigt ist, das Dienstverhältnis an das gesetzliche Renteneintrittsalter zu knüpfen.

3. Das LAG Niedersachen ( Urteil vom 01.08.2018 – 17 Sa 1302/17 ) entschied, dass eine rechtmäßige Altersgrenzenregelung nicht rechtfertigt, Altersrentner von vorneherein nicht in die Auswahl einzubeziehen. Die Tarifvorschrift des § 33 Abs. 1 Buchst. a TVöD regele lediglich die gemäß § 10 S. 3 Nr. 5 AGG rechtmäßige Beendigung des Arbeitsverhältnisses und hindere nicht die Einstellung von Altersrentnern.

4. Dem gegenüber vertritt das LAG Hamm ( Urteil vom 06.08.2024 – 6 SLa 257/24 ) die Auffassung, dass der öffentliche Arbeitgeber berechtigt sei, Menschen, die die Regelaltersgrenze überschritten haben, gleichgültig ob schwerbehindert oder nicht, aufgrund des Alters im Sinne der Generationengerechtigkeit nicht einzustellen, wenn jüngere Bewerber für die Stelle vorhanden sind. Das LAG Hamm hat die Revision zum BAG zugelassen.

Vor dem Hintergrund, dass aufgrund des nichterfüllten Generationenvertrags und der sich fortsetzenden Rezession immer mehr Rentner darauf angewiesen sein werden, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, werden sich die Regelaltersgrenzen auch nicht mehr halten lassen. Die vom LAG Hamm befürwortete Altersdiskriminierung wird vermutlich beim BAG, dem EuGH oder dem Bundesverfassungsgerichten nicht stand halten. Aber auch politisch wird das Renteneintrittsalter fallen.

IV. Beweislastumkehr: Arbeitgeber in der Pflicht

1. Indizienbeweis gemäß § 22 AGG

Betroffene müssen lediglich Indizien vortragen, die auf eine Altersdiskriminierung hinweisen. Die Beweislast, dass das Alter keine Rolle gespielt hat, liegt vollständig beim Arbeitgeber.

2. Strenge Anforderungen an Arbeitgeber und Gesellschafter

Arbeitgeber und Gesellschafter müssen den Vollbeweis erbringen, dass das Alter in keiner Weise motivgebend für die streitgegenständliche Maßnahme war.

V. Fazit

Altersdiskriminierung wird die Arbeitsgerichte und die Anwaltschaft in den kommenden Jahrzehnten verstärkt beschäftigen. Insbesondere bei Kündigungen ist es ratsam, vorsorglich Kündigungsschutzklage einzureichen, sobald auch nur geringste Anhaltspunkte für Altersdiskriminierung oder Austauschkündigung vorliegen.

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