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Erbauseinandersetzungsanordnungen und Vorausvermächtnisse in Testamenten – Die feinen, aber bedeutsamen Unterschiede mit großer Tragweite

0. Einleitung

Es ist gar nicht so selten der Fall: Die Eltern haben für ihre Nachkommen derart vorgesorgt, dass jeder der Kinder eine Immobilie oder einen anderen Wertgegenstand bekommen soll. Im Testament wird dann verfügt, welches Grundstück welches Kind bekommen soll. Häufig wird im Voraus festgelegt, dass jedes Kind zu gleichen Teilen erben soll. Ein einfacher Sachverhalt, aber ein problembehaftetes Testament, wenn sich die Kinder nicht vertragen.

I. Grundlagen

1. Erben

Erben sind kraft Testament (gewillkürte Erbfolge) oder kraft Gesetz (gesetzliche Erbfolge) Gesamtrechtsnachfolger des Verstorbenen. Der Verstorbene wird erbrechtlich als Erblasser bezeichnet. Die Erben übernehmen alle Rechte und Pflichten des Erblassers, müssen z.B. Mietverbindlichkeiten bedienen oder haben umgekehrt das Recht, die Mieten zu kassieren. Hinterlässt der Erblasser Grundstücke, dann werden die Grundbücher derart berichtigt, dass der Erbe anstelle des Erblassers Eigentümer wird.

2. Erbengemeinschaft

Mehrere Erben bilden kraft Gesetz eine Erbengemeinschaft und jeder Erbe haftet als Gesamtschuldner vollumfänglich im Außenverhältnis für die Erbengemeinschaft. Umgekehrt kann jeder Erbe im Außenverhältnis nur Forderungen für die Erbengemeinschaft als Ganzes geltend machen. Erbengemeinschaften sind wie die Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder eheliche Gütergemeinschaften Gesamthandsgesellschaften. Bestehen in der Erbmasse Grundstücke, dann wird im Rahmen der Grundbuchberichtigungen die Erbengemeinschaft als Eigentümer eingetragen.

Die Erbengemeinschaft wird durch die Bedienung sämtlicher Schulden und durch die anschließende Verteilung der Erbmasse aufgelöst. Der Vorgang wird als Erbauseinandersetzung bezeichnet. Die Aufteilung der Vermögenswerte muss einstimmig erfolgen.

3. Auseinandersetzungsanordnung

Der verstorbene Erblasser kann anordnen, wie die Aufteilung der Vermögenswerte bei der Auseinandersetzung erfolgen soll, kann zum Beispiel bestimmen, welcher Erbe welches Grundstück bekommt. Die Erbengemeinschaft kann sich jedoch einstimmig über die Anordnung hinwegsetzen und eine andere Verteilung vornehmen.

4. Vermächtnis

Der Erblasser kann Nichterben Ansprüche gegen den Erben oder die Erbengemeinschaft einräumen. Der Vermächtnisnehmer wird nicht Gesamtrechtsnachfolger wie die Erben, sondern schuldrechtlicher Gläubiger. Die Erbengemeinschaft muss vor der Auseinandersetzung die Vermächtnisse als Schulden erfüllen.

5. Vorausvermächtnis

Der Erblasser kann auch einzelne Erben gegenüber anderen Erben begünstigen. Der den Erbteil übersteigende Teil des Erbteils wird als Vorausvermächtnis bezeichnet.

II. Unterschied zwischen Vorausvermächtnis und Auseinandersetzungsanordnung

Bei einem Vorausvermächtnis wird ein Erbe gegenüber anderen Erben besser gestellt. Vor der Auseinandersetzung muss sein Vermächtnis bedient werden.

Bei der Auseinandersetzungsanordnung regelt der Erblasser die Verteilung des Erbes im Rahmen der Auseinandersetzung / Auflösung der Erbengemeinschaft.

Im Gegensatz zum Vorausvermächtnis soll durch die Auseinandersetzungsanordnung kein Erbe in Hinblick auf die Werte besser oder schlechter gestellt werden. Erhält ein Erbe durch die Auseinandersetzungsanordnung einen höheren Wert als andere Erben, dann muss er den Vermögensvorteil gegenüber den anderen Erben durch Zahlungen ausgleichen.

Der Erblasser kann jedoch auch verfügt haben, dass die Erben, die durch seine Auseinandersetzungsanordnungen im Verhältnis zu den anderen Erben im Saldo begünstigt werden, keinen Ausgleich zahlen müssen.

Die Gerichte gehen im Regelfall davon aus, dass Zuordnungen von Sachen zu Erben ausgleichspflichtige Auseinandersetzungsanordnungen sind, wenn dem Testament keine Anhaltspunkte zu entnehmen sind, dass der Erblasser einen Erben begünstigen wollte.

III. Probleme bei Vermächtnissen

Vermächtnisse verjähren ganz normal binnen drei Jahren zum Jahresende hin. Der Vermächtnisnehmer muss gegebenenfalls gegen den Erben oder die Erbengemeinschaft auf Erfüllung klagen. Der Erbe oder die Erbengemeinschaft kann in der Zwischenzeit über die Erbschaft verfügt haben. So können zum Beispiel Grundstücke, die an den Vermächtnisnehmer hätten übertragen werden müssen, schon verkauft sein. Der Erbe oder die Erbengemeinschaft und nicht der Vermächtnisnehmer wird im Rahmen der Grundbuchberichtigung als Eigentümer im Grundbuch vermerkt.

IV. Probleme bei Auseinandersetzungsanordnungen

Hat der Erblasser seine Erben nicht von Ausgleichszahlungen befreit, vielleicht sogar noch verfügt, dass jeder Erbe den gleichen Erbanteil erhalten soll, dann sind teure Rechtsstreitigkeiten vorprogrammiert, wenn sich die Erben nicht einigen können. Die Erben werden sich über die Höhe der Ausgleichsansprüche streiten. Der Rechtsstreit wird besonders teuer, denn Gegenstand des Gerichtsverfahrens wird nicht die Differenz der Wertvorstellungen, sondern die Zustimmung zu einem Teilungsplan über die gesamte Erbschaft sein.

Erfahrungen

Mir werden als Rechtsanwalt naturgemäß die Streitfälle vorgelegt.

In einem Testament wurden mehr Baugrundstücke vermacht, als vorhanden waren. Außerdem wurden die unterschiedlich großen Baugrundstücke den Vermächtnisnehmern nicht klar zugeordnet. Mag der Erblasser schusselig gewesen sein, dem Notar hätte es auffallen müssen, dass die Vermächtnisse nicht erfüllbar sind. Darüber hinaus hatte der Erblasser den Erben begünstigt, weil er davon ausging, dass dieser den Familienbetrieb erhalten und fortsetzen würde. Stattdessen ließ der Erbe den Betrieb und die Immobilien verkommen. Um den Erblasser, der sich in den letzten Jahren im Pflegeheim befand, kümmerten sich die Vermächtnisnehmer, aber nicht der Erbe. Das Testament hatte an die Erbschaft keine Bedingungen geknüpft und wurde letztlich nicht dem Willen und den Vorstellungen des Erblassers gerecht. Weil der Erbe nicht einmal die Vermächtnisse bediente und die Vermächtnisnehmer Skrupel hatten, die Vermächtnisse einzuklagen, sind diese auch noch verjährt.

In einem anderen Testament wurden Auseinandersetzungsanordnungen getroffen, die der Erblasser offensichtlich für ausgewogen hielt. Trotzdem wurde in dem Testament verfügt, dass jeder Erbe den gleichen Anteil erhalten solle. Außerdem wurde verfügt, dass Kinder eines Erben bestimmte Grundstücke als Vermächtnisnehmer erhalten sollen. Dem Testament ist nicht zu entnehmen, ob das Vermächtnis das gesamte Erbe oder nur den Erbanteil des Elternteils belasten sollte. In einem abändernden Folgetestament wurde ferner verfügt, dass Grundstücke zweier kinderloser Erben mit „Nacherbenregelungen“ wertmindernd belastet werden sollen. Aus dieser Regelung ergibt sich die Intention des Erblassers, dass ihm der generationsübergreifende Erhalt des Familienvermögens wichtig ist. Diesem Anliegen werden aber beide Testamente nicht gerecht. Richtigerweise hätte hier auf eine Familienstiftung oder Genossenschaft zurückgegriffen werden müssen. Zudem wurden auch in diesem Folgetestament die Ausgleichsansprüche nicht abbedungen.

Fazit

Den Testamentsverfassern ist vor Verfassung eines Testaments anzuraten, sich selbst darüber im Klaren zu machen, was sie genau wollen. Ein Notar kann nur die Intentionen im Testament umsetzen, die deutlich genug geäußert worden sind.

Ein Testamentsverfasser ist nicht gehindert, sich von mehreren Notaren oder Rechtsanwälten beraten zu lassen. In der Regel wird ihm vor der Unterzeichnung ein Entwurf übermittelt, den er mit weiteren Fachleuten besprechen kann. Die zusätzlichen Beratungskosten können gut investiert sein. Es empfiehlt sich, den Berater stundenweise zu bezahlen, um sicher zu stellen, dass sich dieser genügend Zeit nimmt.

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