Gewalt gegen Pflegebedürftige
Das tatsächliche Ausmaß von Gewalt gegen Pflegebedürftige ist schwer zu erfassen. Häufig sind es die Täter selbst, die solche Vorfälle melden müssten – eine Situation, die die Aufklärung erheblich erschwert.
Das Thema findet auch in der Rechtspflege Beachtung. Es existiert ein einschlägiger Straftatbestand , der vergleichsweise hohe Strafen vorsieht. Die Mindeststrafen liegen je nach Gefährdungslage zwischen sechs und zwölf Monaten.
Aus meiner persönlichen Erfahrung weiß ich, wie fordernd die Pflege sein kann. Während meiner Zeit als Sanitätsoldat habe ich einen Pflegelehrgang absolviert. Später, während meines Studiums, habe ich in der Behindertenpflege gearbeitet und unter anderem einen jungen Mann mit geistiger Behinderung betreut. Dieser litt unter schweren Anfällen, was die Pflege oft herausfordernd machte. Einmal verbiss er sich bei einem Anfall während eines Transfers mit einem Deckenlift in meinen Oberarm. Ich konnte ihn trotzdem erst wieder loslassen, als er sicher in seinem Bett lag.
Auch die Pflege meines Patenonkels, der an Inkontinenz, einer Gehbehinderung und Parkinson litt, war eine anspruchsvolle Aufgabe. Besonders problematisch war die Suche nach Toiletten, wenn wir unterwegs waren. Oft waren wir zu spät und mussten ihn in engen, öffentlichen Toiletten säubern und neu einkleiden – ein logistischer und körperlicher Kraftakt. Erst die Empfehlung eines engagierten Urologen aus Arnsberg, einen Bauchkatheter einzusetzen, brachte eine deutliche Erleichterung.
Trotz dieser Herausforderungen habe ich die Zeit in der Pflege insgesamt als bereichernd empfunden. Dennoch begegnete ich auch vielen Fällen, in denen pflegebedürftige Menschen in Heimen untergebracht wurden, weil die Angehörigen überfordert waren – nicht nur mit der Pflege selbst, sondern auch mit dem oft belastenden Anblick des altersbedingten Verfalls.
Viele Pflegebedürftige verbleiben jedoch zu Hause, sei es aufgrund des Mangels an Pflegeplätzen oder weil die Angehörigen glauben, dies sei die beste Lösung. Anders als Fachpersonal sind Angehörige oft weder geschult noch routiniert und verfügen selten über die notwendige emotionale Distanz. Diese Überforderung kann in manchen Fällen zu Gewalt führen. Solche Handlungen sind natürlich nicht zu entschuldigen, aber sie sind oft nachvollziehbar. Die Schuld der Täter wiegt hier meist weniger schwer als beispielsweise beim Kindesmissbrauch, der in der Regel auf krimineller Energie und bewusster Ausnutzung basiert. Gewalt gegen Pflegebedürftige hingegen entspringt häufig aus Überforderung und nicht aus berechnendem Handeln.