But let justice roll down like water…
and righteousness like an
ever-flowing stream.
( Amos 5,24 )
A. Einleitung
I. Das Schicksal in Person
Das Zitat ist ein biblischer Vers, wirkt martialisch und kann, aus dem Kontext gerissen, sogar religiösen Fanatismus nähren. Problematische Persönlichkeiten können sich animiert sehen, sich selbst zum göttlichen Richter auf Erden aufzuspielen.
So finden sich über Suchmaschinen zahlreiche Predigten, die diesen Vers nutzen, um über die Menschheit und ihre Sünden selbstgerecht zu urteilen.
Trotzdem gefällt mir das Zitat unter verschiedenen Gesichtspunkten.
Auf den Vers bin ich über den Miss Marple-Film „Das Schicksal in Person“ gestoßen.
Ein deutscher Erblasser und Rechtsphilosoph, Jason Rafiel, erteilte der britischen Miss Marple im Wege eines Audio-Vermächtnisses den Auftrag, Sachverhalte zu klären, Puzzle-Teile mehrerer Kriminalfälle zu einem – schrecklichen Bild – zusammem zu fügen und der Justiz zuzuführen. Der Deutsche vermutete schreckliche Straftaten, insbesondere einen Mord, ohne allerdings selbst etwas von seinen Kenntnissen zum Sachverhalt Preis zu geben. Vielmehr lässt er ihr ein Ticket für eine von ihm initiierte Busreise mit einer von ihm auserwählten Reisegesellschaft mit ganz verschiedenen Menschen, die sich aber in irgendeiner Form bekannt sind, aushändigen. Am Ende seiner Audio-Aufzeichnung bringt er seine Intention mit einem Zitat aus Amos 5,24 spirituell zum Ausdruck: Miss Marple soll zur Nemesis, zur Göttin des gerechten Zorns, werden. So solle das Recht wie Wasser fließen und die Gerechtigkeit zum starken Strom werden. Jason Rafiel scheint sich dabei selbst in der Rolle des Amos gewähnt zu haben. Ein Indiz ist die Aneignung der prophetischen Worte Amos, ein anderes die Einladung anderer Teilnehmer im Namen des Amos Flaire, ein Anagram für Amos Rafiel.
II. Amos 5,24
In dem Buch Amos kritisierte Amos die Verhältnisse in Israel und kritisierte insbesondere die ungerechten, scheinheiligen, oberflächlichen und von Gott entfremdeten Verhaltensweisen. Er forderte die Juden auf, das Böse zu hassen und das Gute zu lieben. Er prophzeite, dass das Recht in Israel fließen wird und die Gerechtigkeit wie ein starker Strom sein wird. Er prophezeite den Untergang Israels, wenn sich die Juden nicht wieder zu Gott hin wenden sollten. In der Folgezeit wird Israel dann tatsächlich untergehen.
B. Persönliche Bedeutung
I. Ich mag diesen sehr eigenwilligen Miss Marple Film. Alleine die Idee, einen Auftrag mit Hilfe einer Schallplatte zu übermitteln, ist kurios. Die Idee des Erblassers, potentielle Täter und Opfer in einen Reisebus zu setzen und an verschiedene, emotional bedeutsame Orte zu fahren, damit Miss Marple die Historie rekonstruieren kann, ist natürlich ebenso bizarr. Noch bizarrer ist die selbst ausgewählte Rolle des Jason Rafiel als Prophet Amos und die von ihm bestimmte Rolle der Jane Marple als Nemesis.
Der Film bringt einem zudem die englische Nachkriegsperspektive über die innere Zerrissenheit und auch die Unsicherheit der Bevölkerung zu dem Krieg näher. Schon in anderen Miss Marple Filmen bringen Regisseure die problematische Beziehung der Engländer zu den Deutschen, aber auch zu den Weltkriegen zum Ausdruck. Die vielen Toten, Verletzten, Geschädigten und letztlich der Verlust des Empires lassen die Richtigkeit der Teilnahme an den Weltkriegen fragwürdig erscheinen.
In Deutschland hat sich das Bild des Britischen Empires als erfolgreiche Besatzungsmacht verfestigt, aber in den britischen Miss Marple Filmen werden auch die Verluste und Ungerechtigkeiten als Kehrseite des Krieges und die Kriegspropaganda mit ihren falschen Versprechungen thematisiert.
II. Ich mag auch die Schriften der Bibeln, insbesondere die des Alten Testaments. Man muss die prophetischen Schriften als solche im historischen Kontext lesen, dann sind diese unterhaltsam und lehrreich. Eine Ermächtigungsgrundlage, selbst das Recht über andere in die Hand zu nehmen, stellen sie nicht dar.
C. Anwaltliche Bedeutung
I. Gerechtigkeit
Gerechtigkeit ist prinzipiell sehr subjektiv. Die eigenen Maßstäbe hängen vom eigenen Weltbild, von der Religion, den eigenen Grundsätzen, Bedürfnissen und Interessen ab.
Im Alten Testament hatte man Entscheidungen als gerecht betrachtet, wenn sie aus der Gefolgschaft Gottes heraus entstanden waren. Gerechte Entscheidungen waren sakral und letztlich auch göttlich. So stellte der Prophet Amos die damaligen gottlosen Zutände die früheren gottesfürchtigen Epochen, dem angekündigten Untergang die historische Befreiung gegenüber.
In der Justiz ist die Gerechtigkeit keine Gewissensfrage. Die Rechtsprechung ist rein technokratisch an Gesetz und Recht gebunden, Art. 20 GG. Für ( moralische / religiöse ) Gerechtigkeitsfragen ist die Politik ( Legislative ) zuständig. Im Grundgesetz wird die Gerechtigkeit darauf begrenzt, dass die Menschenrechte Grundlage der Gerechtigkeit sind, Art. 1 Abs. 2 GG. Folgerichtig ist die ( ansonsten recht freie ) Gesetzgebung nur an die Achtung der Menschenrechte und Einhaltung der verfassungsmäßigen Ordnung gebunden.
Mit anderen Worten, die Gerichte haben sich an die Gesetze zu halten, die die Politik beschlossen haben, soweit sie die Menschenrechte beachten. Andernfalls macht sich die Gerichtsbarkeit wegen Rechtsbeugung strafbar.
II. Rechtsprechung
Gerichtsbarkeit
Weil Gesetze und Sachverhalte seltenst eindeutig sind, müssen sich Gerichte nicht nur an Gesetze halten, sondern darüber hinaus auch Recht sprechen. Die vornehmste Aufgabe eines Gerichts ist die Gewährung eines fairen Verfahrens, Art. 6 MRK. Dazu gehören die Unabhängigkeit des Richters, Art. 97 GG, die prozessuale Gleichbehandlung / Waffengleichheit, Art. 3 GG und die hinreichende Anhörung, Art. 103 GG. Materiell-rechtlich besteht die Kunst der Rechtsprechung in der Umsetzung der juristischen Methodenlehre ( Auslegung ).
Anwaltliche Vertretung
Rechtsanwälte sind Rechtspflegeorgane, weil sie als Interessensvertreter dem Gericht die Standpunkte einer Partei verdeutlichen und auf ein geordnetes Verfahren zugunsten ihres Mandanten bestehen. Gesetze, Gesetzesanwendungen und Sachverhalte sind seltenst eindeutig oder offensichtlich. Sie können daher von Gerichten unterschiedlich verstanden, angewendet oder bewertet werden. Selten sind in Streitfällen Sach- und Rechtslage so eindeutig, dass es keine Wertungsspielräume gäbe. Mandanten, Prozessgegner und Gerichte müssen regelmäßig angehalten werden, die Verfahrensrechte zu achten.
Ohne anwaltlichen Beistand ist ein faires Verfahren regelmäßig nicht denkbar. Gerade im Zivilrecht müssen Sachverhalte dem Gericht vollständig und vorbereitet unterbreitet werden. Eine Klage- oder Erwiderungsschrift muss die Standpunkte auf den Punkt bringen. Der Richter muss die Standpunkte der Parteien auf Anhieb verstehen und nachvollziehen können. Der Anwalt muss die Rechtslage seines Mandanten so überzeugend herausarbeiten, dass das Gericht sich der Ausarbeitung möglichst mühelos anschließen kann. Juristische Laien können zudem die Klaviatur der Verfahrensrechte nicht hinreichend spielen.
Regelmäßig versucht der Richter mit den Rechtsanwälten im Wege eines gerichtlichen Vergleichs einen Interessenausgleich zu finden. Im Gegensatz zum Urteil können durch pragmatische Lösungsansätze die Interessen auch in Nuancen berücksichtigt werden.